Autor:in
Josef H. Reichholf
Titel
Stabile Ungleichgewichte
Untertitel
Die ökologie der Zukunft
1965
Ausstattung
139 Seiten, kartoniert
Das Wort ökologie wird oft mit "Gleichgewicht" gleichgesetzt. "Gleichgewicht im Naturhaushalt" solle angestrebt, "Nachhaltigkeit" verwirklicht werden. Josef H. Reichholf, Professor für Naturschutz und Gewässerökologie an der Technischen Universität München, setzt dagegen die Idee "stabiler Ungleichgewichte". Der gelegentlich als "enfant terrible" der Umweltschutzes bezeichnete Autor stellt im vorliegenden Essay klar, dass es die von manchen Naturromantikern beschworenen Gleichgewichte, verstanden als harmonisches Wirken der biologischen Lebenswelt mit sich selbst, nicht gibt. Natur ist ein ständiges Werden und Vergehen, neue Arten betreten die Bühne, andere sterben aus. All das geschieht nicht nur, weil der Mensch in die Natur eingreift. Vielmehr hat es noch nie, seit das Leben auf diesem Planeten entstanden ist, ein "harmonisches" Gleichgewicht gegeben. Es wird auch nie ein solches geben. Evolution ist ein naturwüchsiger Prozess, der sich nicht um Harmonie schert. Und was die Idee der Nachhaltigkeit, auf zahlreichen Umweltgipfeln beschworen, betrifft" Eine "perfekte Nachhaltigkeit wäre ein ‘Perpetuum mobile'. Sie ist eine Unmöglichkeit" (S.117). Allenfalls in der Forstwirtschaft macht der Begriff Sinn, greift aber auch dort nicht perfekt. Reichholf argumentiert, dass hinter dem Wunsch nach Gleichgewicht und Nachhaltigkeit Angst steht, die Angst vor Veränderung. "Doch die Natur braucht Ungleichgewichte", schreibt der Autor (S. 137), "damit Neues entstehen kann. Die Gesellschaft auch! Aus ‘Gleichgewichten' heraus entsteht keine bessere Welt, und es werden keine Reformen zustande kommen. Nur funktionierende Ungleichgewichte können ‘nachhaltige Entwicklungen' ermöglichen." B. Reinsdorf