Den Einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit nennt Nietzsche das Christentum in seiner Polemik. Seine Kritik erfolgt von einem vitalistischen Standpunkt aus, er wirft der jüdisch-christlichen Religionstradition die Entnatürlichung des Leben vor. Der in seinem letzten Schaffensjahr (1888) entstandene Text zeigt die Brillanz aber auch die Grenzen der Auseinandersetzung dieses - keineswegs durchgängig aufgeklärten Aufklärers- (Hermann Josef Schmidt) mit der europäischen Dominanzreligion. So richtig Nietzsche beschreibt, wie das Christentum die Menschen jahrhundertelang daran gehindert hat, die Realität der Welt wahrzunehmen, so menschenverachtend mutet seine Denunziation von Gleichheit und Solidarität als racunes aller Niedriggesinnten an.