Der 1962 in Bagdad geborene Verfasser ist britischer Professor für theoretische Atomphysik und schildert die Übermittlung antiken Wissens in die heutige Zeit. Für 700 Jahre war Arabisch die „lingua franca“ der Wissenschaften. Das heute vorherrschende Bild des Islams als „primitiv“ und des Christentums als „progressiv“ ist für lange Zeiten mit umgekehrten Vorzeichen zu sehen. Astronomie, Algebra, Medizin, Zoologie, all dies und vieles mehr fand im islamischen Kultuskreis eine Blüte, während im christlichen Abendland Analphabetismus und reine Theologie grassierten. Es ist ein Verdienst des Autors, dies ausführlich zu zeigen. Al-Khalili, der sich selbst (S. 372) als „praktizierender Wissenschaftler und unverfrorener Atheist“ bezeichnet, weist nach, dass die Wissenschaft in der islamischen Welt keineswegs nur eine Mischung aus Metaphysik und Volksglauben war; im Vergleich zu griechischen Philosophen hegten arabische Wissenschaftler viel weniger abstrakte Vorstellungen, „sie standen vielmehr auf einer Grundlage, die stark der modernen naturwissenschaftlichen Methode ähnelte: Man vertraute auf handfeste empirische Befunde, Experimente und die Überprüfbarkeit von Theorien. Viele von ihnen lehnten beispielsweise Astrologie und Alchemie ab: Diese seien kein Teil der wahren Wissenschaft und etwas ganz anderes als Astronomie und Chemie.“ Interessant sind auch die Hinweise al-Khalilis, wie es heute um Wissenschaft und Islam steht. Auf dem Gelände der Qaid-i-Azam Universität in Pakistan, eine der führenden Forschungsinstitutionen der muslimischen Welt, gibt es mehrere Moscheen, aber keine Buchhandlung. Dies aber ist, wie die Geschichte des Islam zeigt, kein Naturgesetz.
B. Reinsdorf