Der Evolutionsbiologe Franz Wuketits widmet sich in seinem neuen Buch der Frage, wie es mit der Vernunftfähigkeit des Menschen bestellt ist. Allzu gerne sehen wir unsere Spezies als vernunftgesteuert an, was uns angeblich auch von den Tieren abhebt. Der Verfasser jedoch zeichnet ein ganz anderes Bild des Menschen und der Gesellschaft, die er geschaffen hat. Er zeigt auf, dass sich unser evolutionäres Erbe kaum noch in Einklang mit unserer modernen Welt bringen lässt. Unser menschliches Gehirn ist laut Wuketits nicht dafür geschaffen, eine zu große Zahl von Reizen adäquat zu verarbeiten, da wir durch unser stammesgeschichtliches Erbe auf eine selektive Wahrnehmung getrimmt sind. So war die Welt der Jäger und Sammler deutlich weniger kompliziert als die heutige. Zudem, so stellt der Autor fest, ist der Mensch eigentlich ein Kleingruppenwesen und daher sind wir mit den Bedingungen der modernen Massengesellschaft überfordert. Folglich ist auch die Unvernunft allgegenwärtig. Egal ob man den Fernseher einschaltet, sich mit unserem Finanzsystem oder mit dem politischen System auseinandersetzt, dem menschlichen Versagen sind kaum Grenzen gesetzt. Wollen wir aus dieser Falle entkommen, dann bleibt nur eines: wirkliche Vernunft. Diese beginnt nach Wuketits damit, eine einfachere Welt zu schaffen, in der Atomkraftwerke oder irrwitzige Finanztransaktionen keinen Platz mehr haben.
F. Reinsdorf