Autor:in
Wolfgang Prosinger
Untertitel
Sterbehilfe - Ein Mann plant seinen Tod
1942
Ausstattung
176 Seiten, kartoniert
Jetzt auch als Taschenbuch Die Frage nach der Selbstbestimmung am Ende des Lebens wird weitgehend an den Betroffenen vorbei diskutiert. Auf der einen Seite positionieren sich jene, für die Menschen (auch wenn es um deren medizinische Versorgung geht) nur Konsumenten sind, die einer Kosten-Nutzen-Kalkulation unterliegen, sowie jene, die sich anmaßen grundsätzlich zu entscheiden, wann ein Leben nicht mehr lebenswert ist; auf der andere Seite finden sich selbsternannte "Lebensschützer" ein, die aus unterschiedlichen ideologischen Gründen ein Weiterleben um jeden Preis propagieren, dem Einzelnen das Recht absprechen, über sein Leben selbst zu verfügen, und jegliche Form von Sterbehilfe als "Mord" denunzieren. Gemeinsam ist beiden, daß sie sich für den Menschen in seiner konkreten Lebenssituation kaum interessieren, ihre eigene Auffassung als alleingültige und ethisch korrekte ansehen und durchzusetzen gewillt sind. Das Buch des Journalisten Wolfgang Prosinger, der für den Tagesspiegel arbeitet, nimmt hingegen den Menschen, der Ulrich Tanner genannt wird, in seinem konkreten Schicksal ernst. Prosinger begleitet Tanner die letzten Wochen seines Lebens, als dieser sich bereits entschieden hat, die Hilfe der Sterbehilfeorganisation Dignitas zu suchen, auf das "grüne Licht" wartet, sich von seinen Freunden verabschiedet, schließlich in die Schweiz reist, um das tödliche Natrium-Pentobarbital einzunehmen. Prosinger unterhält sich mit Tanner, erfährt viel über dessen Leben und über die Beweggründe für die Entscheidung, selbstbestimmt aus dem Leben zu gehen. Und obwohl er sachlich, fast distanziert berichtet, kommen auch die Leserinnen und Leser sehr nah an diesen Mann heran; einige werden vielleicht nachempfinden können, was in ihm in jenen Wochen vorgegangen ist, andere vielleicht verstehen, was Menschen dazu bringt, planvoll in den Tod zu gehen. Doch Prosinger hat sich nicht dazu verleiten lassen, eine anrührende Reportage über ein menschliches Drama zu schreiben, die von Authentizität lebt und unseren Voyeurismus bedient. Immer wieder läßt er Informationen einfließen, die helfen, in der politischen Frage nach der Selbstbestimmung am Ende des Lebens Position zu beziehen" über die unterschiedlichen Formen von Sterbehilfe (und ihre juristische Bewertung in Deutschland), über die Situation in anderen europäischen Ländern, über die Debatten über Intensivmedizin, über die Hospizbewegung, über schweizerische Sterbehilfeorganisationen, über Schmerztherapie und "terminale Sedierung". Es gibt also die Möglichkeit, sich in Tanners Situation anders zu entscheiden, als Tanner sich entschieden hat. Aber seine Entscheidung war legitim und respektabel. Dies macht uns Wolfgang Prosingers sehr menschenfreundliches Buch in einer ergreifenden Weise klar. G. Reinsdorf