Titel
Kultur versus Religion?
Untertitel
Soziologische Analysen zu modernen Wertkonflikten
1885
Ausstattung
188 Seiten, kartoniert
Der Soziologe Michael Opielka beschäftigt sich im vorliegenden Buch mit Wertkonflikten, die in modernen Gesellschaften auftreten und an der Schnittstelle zwischen Kultur und Religion angesiedelt sind. Der Autor behandelt dazu die Debatte um den Wohlfahrtsstaat, die Rechtfertigungen für den Krieg im Irak (2002), streift das Thema "Terror und ethische Verantwortung", und geht auf den Streit um "intelligentes Design" ein. Ausgangspunkt für Opielka ist eine Unterscheidung zwischen Kulturwerten (das seien Gemeinschaftswerte) und religiösen Werten, die er "Letztwerte" nennt. Bezogen etwa auf den Wohlfahrtsstaat fragt der Autor" "Lässt sich der moderne Wohlfahrtsstaat als eine Institutionalisierung religiöser Werte lesen?" (S. 59) Die Antwort ist ein vorsichtiges Beinahe-Ja" "Er [der Wohlfahrtsstaat; die Red.] beruht auf Werten, nicht nur auf Normen. Inwieweit diese Werte Letztwerte sind und insoweit religiöse Werte, bedarf weiterer theoretischer und empirischer Forschung." (S. 72) Im Kapitel über den Irak konzediert Opielka, dass der Krieg, "militärisch gesehen", ein "Fiasko" sei (S. 103), steht aber trotzdem, nachdem er die verschiedenen Gründe für den Einmarsch der USA durchdiskutiert und untersucht hat, ob es sich vielleicht um einen "Kulturkampf" im Sinne Samuel P. Huntingtons Clash of Civilizations handeln könnte, Demokratisierungsinterventionen von außen nicht gänzlich ablehnend gegenüber. Auch das Kapitel über Terrorismus (es geht fast ausschließlich um islamistischen Terror) hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Inhaltlich erfährt der Leser wenig Neues, diskutiert wird vor allem sekundär- und tertiärliterarisch anhand vermeintlicher oder tatsächlicher intellektueller Unterstützer terroristischer Handlungen. Wieso Opielka dabei seitenlang z.B. auf die verschwiegene SS-Mitgliedschaft von Günter Grass eingeht, und was das mit "Kultur versus Religion", dem eigentlichen Thema des Buches, zu tun haben könnte, bleibt unerfindlich. Im Abschnitt "Die Welt und Gott" Intelligentes Design in religionssoziologischer Sicht" behauptet Opielka schließlich, dass der renommierte Evolutionsbiologe Richard Dawkins einen "Ultradarwinismus" vertrete (S. 124), und plädiert dafür, dass "die Kontroverse um ein ‘Intelligentes Design' nicht oberflächlich beantwortet werden darf" (S. 128). Auch wenn der Autor in der Einleitung dementiert, wohl potentielle Einwände ahnend, "einen religionssoziologisch verkleideten Gottesbeweis" zu führen (S. 10), so läßt sich doch bei der nachfolgenden Lektüre dieser Eindruck nicht gänzlich unterdrücken. Für wen also ist das Buch geeignet? Wer eine religionskritische Analyse aus soziologischer Sicht zu Wertkonflikten sucht, wird enttäuscht werden. Wer dagegen wissen und erfahren will, welche Meinungen und Gedankengänge ein Autor vertritt, für den Religion leibhaftig die Rolle einer "Letztwertbegründung" darstellt, oder darstellen kann, könnte auf seine/ihre Kosten kommen.