1387
Ausstattung
146 Seiten, gebunden
Ronald Dworkins Buch geht von der These aus, dass "Religion" weniger mit dem Glauben an einen persönlichen Gott zu tun hat, sondern den Glauben an Werte bedeutet. In diesem Sinn stehen sich religiöse Theisten und religiöse Atheisten sehr nahe, weil sie ein nahezu gleiches Grundmodell an überzeugungen teilen. Dazu gehört die Vorstellung, dass Werte eine eigene Wirklichkeit besitzen und das Leben die Erfahrung des "Numinosen" bereithält, ebenso wie die Ablehnung des Naturalismus. (Wer sich hier an Debatten über atheistische Spiritualität erinnert fühlt, liegt richtig, doch Dworkin weist diesen Begriff explizit zurück, da die Bezeichnung "Religion" die Konsequenzen genauer abbilde.) Dworkin, der sich selbst zum Atheismus bekennt, entwickelt seinen idealistischen Ansatz in drei Kapiteln. Zunächst erläutert er seine Definition von Religion und religiösem Atheismus. Dann wendet er sich dem Universum und der Natur zu und erörtert die Fragen der Schönheit und der Zwangsläufigkeit (hier bringt er das Argument der Multiversen gegen das "anthropische Prinzip" in Stellung). Im dritten Kapitel geht es um Religionsfreiheit. Hier wird deutlich, welche politische Perspektive Dworkin ins Auge gefasst hat" Indem er ethische Entscheidungen von Tragweite als religiöse auffasst, können auch atheistisch begründete Gewissensentscheidungen unter den besonderen Schutz dieses Menschenrechts gestellt werden; das Recht auf Abtreibung wird so zu einer religiösen Angelegenheit (S. 97). In der Rechtsprechung höchster US-Gerichte, etwa zur Kriegsdienstverweigerung, finden sich solche Tendenzen bereits seit gut 40 Jahren. Die ganze Argumentation basiert sehr deutlich auf us-amerikanischen Verhältnissen, wobei Dworkin allerdings auch immer wieder auf Zustände und Ereignisse in europäischen Ländern Bezug nimmt (z.B. Minarettverbot-Abstimmung in der Schweiz). Die behandelte Grundfrage ist hingegen universell und wer schon immer mal wissen wollte, warum die säkulare Szene sich in unterschiedlichen Verbänden organisiert, die bei manchen Themen nicht gut miteinander zusammenarbeiten können, ist nach der Lektüre dieses Buches klüger. G. Reinsdorf