Untertitel
Auf dem Weg zum palästinensischen Gottesstaat
1294
Ausstattung
286 Seiten, kartoniert
Jetzt in einer aktualisierten Taschenbuchausgabe: Die Islamische Widerstandsbewegung HAMAS (die Abkürzung bedeutet im Arabischen "Eifer") wird im Westen zumeist als Terrororganisation wahrgenommen und mit Selbstmordattentaten in Verbindung gebracht. Diese Einschätzung ist zwar richtig, sie verstellt aber zugleich den Blick auf die grundlegenden Ziele und Vorgehensweisen der HAMAS. Denn der palästinensische Ableger der Muslimbruderschaft strebt ein islamisches Palästina im engeren Sinne an, also ein Palästina, das auch das gesamte Staatsgebiet Israels umfaßt, in dem Scharia und islamische Tradition die Regeln für das alltägliche Leben vorgeben und in dem Nichtmuslime eine untergeordnete Stellung einnehmen. Der Journalist Joseph Croitoru beschreibt die Geschichte der HAMAS (und ihrer Vorläuferorganisation). Besonderes Augenmerk legt er dabei auf den innerpalästinensischen Konflikt, in dem die islamistische HAMAS sich seit der ersten Intifada immer besser positionieren und letztlich gegen die säkularen nationalistischen Kräfte durchsetzen konnte. Croitoru zeigt, wie die Islamisten sich zunächst auf Bildung und Wohltätigkeit konzentrierten (und in der Folge von den Israelis geduldet wurden), sich seit Beginn der 1980er Jahre jedoch zunehmend politisierten und ihre sozialen Netzwerke dann zu einem Staat im Staate ausbauten. Parallel dazu verdrängten sie, vor allem im Gazastreifen, säkular eingestellte Palästinenser aus Berufsverbänden, Stiftungsgremien, der Universität; dies erreichten sie teilweise durch ihr über die Sozialarbeit erworbenes Ansehen (sie gewannen schlicht die Wahlen), teilweise mittels Gewalt gegen Konkurrenten. Croitoru spricht in diesem Zusammenhang von einer "Re-Islamisierung" des Gazastreifens (das Manuskript wurde vor der Liquidierung der Fatah dort im Juni 2007 abgeschlossen). Croitorus Buch beantwortet nicht alle für den Konflikt in Palästina wichtigen Fragen; die Folgen der israelischen Repressionspolitik werden nur oberfllächlich ins Auge gefaßt und ein Vergleich der HAMAS mit anderen islamistischen Bewegungen, die ähnliche Strategien anwandten, erfolgt leider nicht. Doch die zusammengetragenen Informationen ermöglichen eine eindeutige Einschätzung der Islamischen Widerstandsbewegung: Sie ist eine totalitäre Organisation, die ein religiös fundiertes Regime anstrebt, in dem es keine bürgerlichen Freiheiten gibt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird sie, wenn es erforderlich erscheint, Gewalt einsetzen (gegen Dissidenten, innenpolitische Gegner oder - durchgängig als "Juden" bezeichnete - Israelis); wenn sie sich ihrer Mehrheit sicher ist, wird sie sich demokratisch geben und auf Wahlen setzen. Mit dieser Strategie, Populismus und Militanz zu kombinieren, so fürchtet auch Croitoru, könnte sie ein Muster für andere reaktionäre Bewegungen geschaffen haben. Die Taschenbuchausgabe ist um ein Kapitel über die Entwicklung im Gazastreifen seit 2007 erweitert.G. Reinsdorf