Jetzt als Taschenbuch Vielleicht ist es klug, mit der Lektüre dieses Buches hinten anzufangen. Denn wer Bottons Manifest Zehn Tugenden für die moderne Zeit gelesen hat, hat die philosophische Intention des Autors fest im Blick und kann mit dieser Perspektive seine vorherigen Ausführungen prüfen, ohne Verärgerung in sich aufsteigen zu spüren. Diese (von Botton selbst ins Spiel gebrachte) Befürchtung ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Denn Bottons Anliegen ist, die kulturellen Techniken, die im Rahmen der Religionen entwickelt wurden, darauf abzuklopfen, inwieweit sie auch für nichtreligiöse Menschen hilfreiche Elemente enthalten. Und viele Atheistinnen und Atheisten dürften es tatsächlich zunächst als Zumutung ansehen, sich in Fragen der Lebenshilfe ausgerechnet aus dem Fundus der Religionen zu bedienen, wo doch Kunst und Wissenschaft zur Verfügung stehen. Doch exakt darum geht es dem Philosophen. Er vertritt die Auffassung, dass Religionen eine lange Erfahrung in der Auseinandersetzung mit grundlegenden Lebensfragen haben und deshalb wirksame Modelle entwickeln konnten. Genau hier sieht er Defizite in säkularen Einrichtungen wie zum Beispiel der Universität, denn dort stehen nicht die existenziellen Bedürfnisse des Menschen im Mittelpunkt (Botton erläutert diesen Gedanken am Beispiel unseres Umgangs mit Literatur" Wir könnten an Romane oder Dramen existenzielle Fragen herantragen und würden wohl auch Antworten finden, wir tun es aber nicht). Es gibt zahlreiche Stellen in Alain de Bottons Werk, die zu Widerspruch geradezu herausfordern. Aber das Buch hat einen "nichtreligiösen" Umgang verdient. Soll heißen" Niemand muss ihm unter Lobpreisungen in allen Details folgen und niemand muss es in Bausch und Bogen verdammen. Alle können prüfen, wo seine Ausführungen über Gemeinschaft, Bildung oder emotionale Bedürftigkeit überzeugen, wo sie Anregungen zur Verbesserungen unseres diesseitigen Lebens geben und wo nicht. G. Reinsdorf