Titel
Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend
1154
Ausstattung
255 Seiten, kartoniert
Jetzt als Taschenbuch Der Ort der Handlung Altötting, das Personal ein Reliquienverkäufer und seine Familie. Das klingt nach konservativer Idylle oder einer Satire über die "gute alte Zeit", die nie existiert hat - doch Andreas Altmanns Erfahrungen sind anders. Seine Erinnerungen treffen die Leser mit einer solchen Wucht, dass es schwer ist, das richtige Verhältnis zu dem Text zu finden, sich, auch emotional, darauf einzulassen und zugleich Distanz zu wahren. Eine Distanz, die notwendig ist, um nicht noch im empathischen Nachvollzug des Geschilderten beschädigt zu werden. Dabei erzählt Altmann fast sachlich die Geschichte seiner verlorenen Jugend. Der Vater, ein SS-Mann, kehrt emotional verkrüppelt aus dem Krieg heim, seiner Umwelt, insbesondere seiner Familie begegnet er feindselig und gewalttätig. Die Mutter erweist sich als zu schwach, sich zu wehren und ihre Kinder zu schützen, sie flieht, alleine. Andreas Altmann bleibt zurück. Das klingt nicht sonderlich katholisch und doch ist der Katholizismus die Folie, vor der all dies geschieht. Ohne die katholischen Vorstellungen von Gehorsam, vom Bösen in der Welt, ohne die katholische Doppelmoral ließen sich die Vorkommnisse kaum verstehen. Altmann beschreibt bizarre Situationen von Demütigung und Gewalt sowie teils grotesk anmutende kindliche Strategien der Gegenwehr. Da findet ein Schlagabtausch statt, der die emotionale Verwüstung aller Beteiligten nach sich zieht. Dass Andreas Altmann schließlich geht, ohne seinen Vater erschlagen zu haben, wirkt da schon wie ein Happyend. Altmann beschreibt seine Abneigung intensiv, aber er moralisiert nicht. Es war eben auch ein Scheißleben, das sein Vater hatte, er war wohl so geworden, wie er unter den Umständen hatte werden müssen. Das Opfer versöhnt sich nicht mit dem Täter, erkennt aber, dass sein Vater, das Schwein, das ihn seine Kindheit und Jugend hindurch physisch und psychisch drangsaliert hatte, in diesem Leben gefangen blieb - während er, aller bleibenden Blessuren zum Trotz, den Absprung geschafft hat, "den schönsten Beruf der Welt" ausübt und in "der schönsten Stadt der Welt" wohnt. G. Reinsdorf