Das Buch bietet eine ebenso grundlegende wie provokante Kritik der Nietzsche-Interpretation des vergangenen Jahrhunderts, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Schmidt verficht die These, dass nahezu jede Publikation zu Nietzsche oder seinem Denken auf eine „Entschärfung“ Nietzsches hin angelegt ist: im Interpretations-Mainstream, wo zu wenig ernsthaftes Interesse an Nietzsche selbst und seinem Denken vorherrscht, geht der mit dem Hammer „wie mit einer Stimmgabel“ Götzen aushorchende Philosoph selbst ebenso unter wie einige seiner zentralen Aussagen untergehen. Nietzsches aphoristisch angelegtes Werk ist zweifelsohne interpretationsbedürftig, doch die Vielzahl einander teilweise sogar widersprechender Deutungen verweist auf wissenschaftliche Sorglosigkeit. Schmidt zeigt Defizite und blinde Flecke der Nietzsche-Forschung auf. In einer grundsätzlichen Erörterung werden die in der Regel ausgeklammerten Inhalte und Perspektiven in einem „Interpretativen Lasterkatalog“ aufgewiesen und diskutiert. Damit greift das Buch in die akademische Debatte ein, ist zugleich aber für philosophiebegeisterte Laien interessant, denen es neue Perspektiven beim Lesen der Schriften Nietzsches eröffnet.