Wer dachte, dass in der Tageszeitung (taz) nach dem Weggang von Daniel Bax und Simone Schmollack ein anderer Umgang mit Religionskritik Einzug halten würde, sieht sich enttäuscht. Nach wie vor gibt die einstmals wichtigste linke Zeitung identitären Positionen eine Stimme.
Diesmal ist es Patricia Hecht, die unter der Überschrift „Helfershelfer der AfD“ die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes angreift. Deren Arbeitsgruppe „Frauenrechte und Religion“ hat eine vierzehnseitige Argumentationshilfe erstellt, die die Forderung nach einem Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit begründet. Hecht wirft den Frauen in einem „Kommentar“ vor, „antimuslimische Ressentiments“ zu bedienen und unterstellt ihnen eine mittelbare Unterstützung der Alternative für Deutschland (AfD).
Ihr Urteil stützt sie allerdings nicht auf eine durch Zitate untermauerte Kritik der Terre des Femmes-Stellungnahme. Ob die taz-Journalistin das Papier überhaupt gelesen hat, ist ungewiss. Denn was sie vorbringt, wird im Terre des Femmes-Papier ausführlich abgehandelt. Auf die Argumente des Papiers geht Hecht jedoch an keiner Stelle ein, auf eine Widerlegung der vertretenen Positionen verzichtet sie; bezeichnenderweise wird auch nicht auf das Papier verlinkt.
Stattdessen führt Hecht an, dass Debatten „in bestimmten Kontexten geführt“ würden und suggeriert, dass die Argumentationshilfe von Terre des Femmes unter die „immer weiter nach rechts driftende[n] Positionen“ gerechnet werden müsse. Intellektuell überfordert verkennt sie, dass eine Umkehrung der AfD-Position den reaktionären Diskurs über „den Islam“ keineswegs auflöst, sondern allenfalls die Vorzeichen verändert. Die Sätze „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ und „Der Islam gehört zu Deutschland“ repräsentieren gleichermaßen identitäres Denken.
Im Gegensatz dazu wählt die Terre des Femmes-AG einen völlig anderen Zugang zum Thema, stellt die Frage nach der Rolle, die Religion grundsätzlich in einer Gesellschaft spielen soll, und wo die Grenzen des Zugriffs religiöser Gemeinschaften auf ihre Mitglieder verlaufen. Natürlich ließe sich darüber diskutieren, ob Verbote generell oder in dieser speziellen Frage eine emanzipatorische Entwicklung auslösen können; nicht einmal das NPD-Verbot wurde innerhalb des linken Spektrums durchgehend befürwortet. Doch während die NPD von allen als Problem angesehen wurde, ist dies bei der religiösen Rechten, solange sie sich auf islamische Vorstellungen und Praktiken beruft, nicht der Fall.
So kommt auch Hecht zu dem Ergebnis, dass das Problem der Vollverschleierung keines ist. Die hinter den Kleidungsstücken Niqab oder Burka stehenden Ehrvorstellungen übergeht sie ebenso wie die damit einhergehenden Folgen für Frauen, die sich diesen widersetzen. In welchen ideologischen Kontext diese eingeordnet werden müssen, kann beispielsweise in Klaus Theweleits Männerphantasien nachgelesen werden, denn es handelt sich dabei keineswegs um ein explizit islamisches Phänomen.
Nicht das Terre des Femmes-Papier wird von der Idee bestimmt, Islam, Geflüchtete und MigrantInnen seien in einem Atemzug zu nennen, es ist die taz-Redakteurin Hecht, die sich unfähig zeigt, den identitären Diskursrahmen zu verlassen. Auch darin liegt der Erfolg der AfD ein stückweit begründet. Denn wer Religionskritik und Rassismus nicht unterscheiden kann, hat sich von der Grundlage jeglicher Kritik verabschiedet und ist der religiösen Rechten, die längst bekenntnisübergreifend zusammenarbeitet, auf den Leim gegangen.
Der Text ist ein Vorabdruck aus MIZ 1/18, die dieser Tage in Druck geht.
Nachtrag: Mittlerweile hat die taz nochmal nachgelegt. In einem im Mai erschienenen Kommentar zum Neutralitätsgesetz erklärt Heide Oestreich „den“ Islam zur Religion mit Kleiderordnung und suggeriert damit, der Schleier sei fester Bestandteil des Islams. Dies trifft freilich nicht zu, denn viele Musliminnen leben ihren Glauben ohne „Kopftuch“. Oestreich erklärt damit die Interpretation der reaktionären, frauenfeindlichen Strömungen des Islams zur allgemeinverbindlichen. Für Musliminnen, die sich dieser Interpretation nicht unterwefen wollen, eine lebensgefährliche Ausgrenzung. Die von Oestreich erhobene Forderung, das Neutralitätsgesetz abzuschaffen, bedient direkt die Interessen der religiösen Rechten. Wenn es um Fragen der gesellschaftlichen Stellung von Religion geht, rutscht die taz immer weiter nach rechts.
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