MIZ 3/24: Dauerthema Religionsunterricht
Seit über 150 Jahren setzen sich säkulare Kräfte dafür ein, dass Religionsunterricht als Pflichtfach an öffentlichen Schulen abgeschafft wird. Erreicht wurde bislang immerhin, dass nicht mehr alle Kinder eine religiöse Unterweisung über sich ergehen lassen müssen. Trotzdem bleibt ein politisches Konfliktfeld, für das die Interessenverbände der Konfessionslosen ein Konzept der Veränderung brauchen. Was dabei bedacht werden sollte, behandelt der Schwerpunkt der aktuellen MIZ.
Im Editorial gibt Gunnar Schedel einen kurzen historischen Abriss über die Auseinandersetzungen um den Religionsunterricht und listet anschließend einige Fragen auf, die zu beantworten wären, wenn ein weiterer Anlauf unternommen werden soll, dieses Fach von der Stundentafel zu streichen. Anschließend wird dargestellt, wie Schülerinnen und Schüler einerseits auch heute noch in den Religionsunterricht gezwungen werden sollen (Rainer Ponitka) und dass andererseits aber auch Kinder konfessionsloser Eltern scheinbar freiwillig daran teilnehmen (Mirko Schultze). Der ehemaligen sächsische Landtagsabgeordnete stellt fest, dass in Ostdeutschland zwar nur noch eine Minderheit gläubig ist, aber trotzdem erstaunlich viele konfessionslose Eltern ihr Kind in den konfessionellen Religionsunterricht schicken. Eine Ursache sieht er darin, dass nach 1990 viele Positionen in Staat und Wirtschaft mit Leuten aus dem Westen besetzt wurden – von denen die meisten Kirchenmitglieder waren. So „lernten“ die Menschen, dass eine Kirchenmitgliedschaft offenbar Vorteile mit sich bringen kann und es sich folglich empfiehlt, den Kontakt zu einer offenbar mächtigen Institution nicht völlig abreißen zu lassen. Und da Eltern sich meist bemühen, „das Beste“ für ihre Kinder zu tun, werden diese für den Religionsunterricht angemeldet. Diese „Anpassung an ein scheinbar gegebenes Gesellschaftsmodell“ sollten die säkularen Verbände als Herausforderung und Arbeitsauftrag annehmen.
In der Rubrik „Staat und Kirche“ befasst sich Dieter Birnbacher mit der „Freiverantwortlichkeit“ im Zusammenhang mit der Suizidhilfe-Debatte. Er untersucht, unter welchen Bedingungen psychische Krankheiten die Zulässigkeit einer Freitodhilfe ausschließen oder einschränken. Kritische grundsätzliche Überlegungen zum Tanzverbot stellt Antonus Kardonnter an. Er kommt zu dem Schluss, dass die diesbezüglichen Einschränkungen der Feiertagsgesetze nicht-religiösen Menschen durch den geforderten Handlungsverzicht gewissermaßen kirchliche Handlungen aufzwingen.
Die seit September laufende Kampagne zum Thema Schwangerschaftsabbruch, ihre Überlegungen und Forderungen stellt eine Aktivistin des „Feministischen März“ vor. Romo Runt skandalisiert die Entfernung von zwei Kunstwerken aus einer Ausstellung durch das Düsseldorfer Stadtmuseum und zeigt, dass die Rechtfertigung der Zensur auf einem extrem rechten Kunstverständnis basiert.
Im Interview mit Rolf Cantzen geht es um dessen neuen Roman Magische Haut. Eine Reliquienverschwörung – eine literarische Beschäftigung mit bizarrem Glauben, ungebrochenem Machtanspruch und routiniertem Missbrauch. Eine „Querdenker-Religion mit Endzeitphantasien“: die evangelikale Gruppierung Himmlisches Jerusalem stellt Bernd Cunow vor.
Die Rubrik Internationale Rundschau gibt es, in leicht verändertem Gewand, erstmals seit dem Tod von Gerhard Rampp wieder.
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