Warum ich auf der GWUP-MV für das „Team Sebastiani“ stimmen werde
Am 11. Mai wird auf der Mitgliederversammlung der GWUP gewählt. Ich werde dann André Sebastiani wählen und bitte alle GWUP-Mitglieder, dies auch zu tun.
Es ist eine „außerordentliche“ Wahl, nicht allein, weil sie nach nur einjähriger Amtszeit des Vorstandes stattfindet. Mit der Wahl von André Sebastiani und seinem Team, so hoffe ich, könnte eine Phase unproduktiven Streitens beendet und ein vollständiges Auseinanderbrechen der GWUP verhindert werden. Das Zerwürfnis war zuletzt so offensichtlich, dass nicht nur die weltweite Skeptikerszene irritiert nach Deutschland blickt, sondern sogar die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel Alles „woke“? Wie sich ein Verein für kritisches Denken selbst zerlegt einen Artikel über die GWUP brachte.
Ausgangspunkt waren die Wahlen im Mai vergangenen Jahres, als unter mehr als fragwürdigen Umständen eine an identitätspolitischen Vorstellungen orientierte Gruppe um Holm Hümmler vesuchte, den Vorstand ausschließlich mit erst unmittelbar vor der Wahl vorgeschlagenen Kandidat:innen aus ihrem Spektrum zu besetzen. Dies scheiterte, doch sie erhielt eine Mehrheit im neu gewählten Vorstand. Ich habe dies damals in einem MIZ-Artikel als Verschiebung der GWUP nach rechts beschrieben, und einiges von dem, was ich prognostiziert hatte, ist eingetroffen – vor allem eine massive Verschlechterung der vereinsinternen Diskussionskultur, in der seitdem Unterstellungen und ad personam-Attacken vorherrschen.
Die inhaltlichen Punkte des Konfliktes liegen zum einen in einer autoritären Amtsführung von Holm Hümmler, zum anderen in der Haltung seines Lagers zum Universalismus. Beide Aspekte traten in der Auseinandersetzung mit dem Münchner Autor Andreas Edmüller nach dessen Das WOKE-Phänomen: Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung? betitelten Vortrag bei der GWUP-Regionalgruppe Mittelfranken zutage. Hümmler reagierte wenig souverän, attestierte dem Vortrag „Stammtischniveau“ und brachte als mögliche Reaktion einen Vereinsausschluss Edmüllers ins Spiel (der allerdings gar nicht Mitglied in der GWUP ist). Auch aus seinem Umfeld waren wenig qualifizierte Äußerungen zur Sache zu vernehmen (darunter auch von der aktuell zur Aufnahme in den Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Germanistin Rebecca Wismeg-Kammerlander). Edmüller reagierte darauf seinerseits mit Beiträgen auf seinem Blog.
Zugespitzt formuliert ging es um die Frage, ob Edmüller als alter weißer usw. Mann sich überhaupt mit dem von ihm gewählten Beispiel des traditionellen „Wissens der Maori“ (Mātauranga Māori) und der Debatte über dessen Stellenwert in neuseeländischen Lehrplänen hätte kritisch befassen dürfen. Der Süddeutschen Zeitung gegenüber ruderte Hümmler später zurück, gestand zu, dass die Sache „natürlich“ innerhalb der GWUP untersucht werden könne, schränkte aber sogleich ein, man solle dies besser den neuseeländischen Skeptikern überlassen, da sie den Kontext besser verstehen dürften. So bleibt der Eindruck, dass es für Hümmler nicht auf Expertise ankommt, um einen Sachverhalt zu untersuchen, sondern auf die Herkunft (als Beispiel für ein vermeintliches ‘Identitätsmerkmal’). Darin sehe ich eine klare Abkehr von einem universalistischen Wissenschaftsverständnis.
Ein von Anfang an eingesetztes Mittel gegen Kritik am identitätspolitischen Ansatz und seinen Folgen für wissenschaftliches Denken war, die Kritiker:innen pauschal in die rechte Ecke zu stellen – da traf es nicht nur den bekennenden Liberalen Edmüller. Belegt waren die Vorwürfe selten, dafür zumeist vorgetragen in einem Tonfall moralischer Überlegenheit. Wie weit Holm Hümmler und sein Team in der demagogischen Abwertung Andersdenkender zu gehen bereit sind, zeigt ein Satz aus ihrem Wahlprogramm: „Titel wie ‘Das Woke-Phänomen – Angriff auf die Wissenschaft’ sind bei der GWUP ebenso deplatziert, wie es ‘Das Judentum – Angriff auf die Wissenschaft’ wäre.“ Solche „Ausrutscher“ sind keine Einzelfälle, nach meiner Einschätzung sind sie Teil der Kommunikationsstrategie von Holm Hümmler und seinem Team und werden bewusst und strategisch eingesetzt. Auch Gegenkandidat André Sebastiani, ein Sozialdemokrat, wurde auf der internen Mailingliste von einem selbsternannten Wahlhelfer des „Teams Hümmler“ mit der AfD in Beziehung gebracht – ohne jede sachliche Begründung. Ein anderer Listenteilnehmer aus dem Umfeld der Vorstandsmehrheit, der bereits mehrfach als „Mann fürs Grobe“ aufgefallen war, empfahl einem vorstandskritischen Mitglied doch besser bei QAnon zu posten als in der GWUP. (Der Ehrlichkeit halber muss erwähnt werden, dass auch auf Seiten derjenigen, die den Vorstand kritisieren, der eine oder andere Satz gefallen ist, der besser nochmal überdacht worden wäre.)
Mein Wunsch wäre, dass das Klima in der GWUP wieder dahin kommt, dass einerseits Kritik an jeder Position und Theorie möglich ist, ohne dass dies im Vorstand Ausschlussphantasien auslöst. Und andererseits Kontroversen sachlich ausgetragen werden, ohne ad personam-„Argumente“ und Unterstellungen.
Bei einer Wahl des Teams von André Sebastiani sehe ich das eher gewährleistet. Holm Hümmler und seine Vorstandsmehrheit haben über ein Jahr hinweg keinerlei erkennbare Bemühung unternommen, mit den Kritiker:innen auch nur ins Gespräch zu kommen, sondern darauf gesetzt, sie aus der GWUP zu drängen. Vom „Team Sebastiani“ erwarte ich nicht nur ein klares Bekenntnis zu einem universalistischen Wissenschaftsverständnis, sondern auch eine deutlich konstruktivere Diskussionskultur.
Deshalb bitte ich alle GWUP-Mitglieder, für die eine Anfahrt keine unzumutbare Belastung bedeuten würde, am Samstag, dem 11. Mai, nach Augsburg zu kommen und bei den Vorstandswahlen für das „Team Sebastiani“ zu stimmen.
Gunnar Schedel
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