Offener Brief an die Träger des Deutschen Verlagspreises
Der Alibri Verlag hat in einem Offenen Brief (dessen Wortlaut unten zu finden ist) die 60 Verlage, die dieses Jahr mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurden, aufgefordert, einen Teil des Preisgeldes an die Verlagsauslieferung Die Werkstatt abzugeben. Deren Engagement nach der Insolvenz der Verlagsauslieferung sova hat vielen der dort ausgelieferten Verlage die Existenz gerettet. Ohne das entschlossene und solidarische Handeln von Werkstatt-Geschäftsführer Bernd Weidmann wäre der Übergang von über 40 der betroffenen Verlagen zu neuen Verlagsauslieferungen undenkbar gewesen. So aber konnten fast alle Verlage weitermachen, was als bedeutender Beitrag zum Erhalt der Verlagsvielfalt anzusehen ist. Wenn wenigstens einige der Verlage unserem Aufruf folgen, würde so immerhin ein Teil des Geldes, wenn auch nur im Nachhinein und indirekt, dafür eingesetzt, wofür der Deutsche Verlagspreis angeblich gegründet worden ist.
Der Deutsche Verlagspreis ist seit 2019 fünfmal vergeben worden. Dabei gibt es drei Hauptpreise (60.000 Euro) und 60 Trostpreise (erst 15.000, mittlerweile 24.000 Euro). Von den rund 350 Verlagen, die sich regelmäßig bewerben, hat bislang nur etwas mehr als die Hälfte (ca. 180 Verlage) überhaupt eine Förderung erhalten; hingegen wurden 11 Verlage viermal (maximale Förderung, da nach zwei Auszeichnungen ein Jahr ausgesetzt werden muss) und 28 Verlage dreimal ausgezeichnet.
Der Alibri Verlag hat bereits 2020 den Vergabemodus kritisiert und den Deutschen Verlagspreis als Gefahr für die Verlagsvielfalt eingeschätzt. Im März 2023 hat Alibri den Jakob Schabelitz-Preis für Verlage, die den Deutschen Verlagspreis noch nie bekommen haben, ausgelobt; dieser wird im November 2023 erstmals verliehen.
Der Offene Brief im Wortlaut
Liebe Kolleg:innen,
das Alibri Verlagskollektiv gratuliert euch zum Erhalt des Deutschen Verlagspreises 2023. Wir haben die Vergabepraxis schon früh kritisiert, weil sie in unseren Augen die Verlagsvielfalt nicht sichert, sondern gefährdet. Einige von euch haben den Preis dieses Jahr zum ersten Mal bekommen, anderen wurde er bereits vier Mal zugesprochen. Das sind knapp 60.000 Euro Unterschied, aber trotzdem wenden wir uns mit unserem Anliegen an euch alle.
Wir fordern euch auf, einen Teil eures Preisgeldes abzugeben und damit ein Engagement zu unterstützen, das tatsächlich dazu beigetragen hat, Verlagsvielfalt zu erhalten. Wir denken dabei an 2000 bis 3000 Euro, sodass ihr noch genug für eure eigenen Projekte übrighabt.
Vorschlagen möchten wir, dass ihr den Betrag an die Verlagsauslieferung Die Werkstatt überweist. Deren Geschäftsführer Bernd Weidmann hat sich in vorbildlicher Weise eingesetzt, als im November 2022 die Verlagsauslieferung sova in Insolvenz ging. Ohne sein entschlossenes Handeln wäre der Übergang von über 40 Verlagen zu neuen Verlagsauslieferungen undenkbar gewesen. Dass das gesamte Verfahren für die Verlage finanziell und organisatorisch in halbwegs geregelten Bahnen ablief, ist in hohem Maße ihm zu verdanken. Nicht wenigen der betroffenen Verlage dürfte das die Existenz gerettet haben.
Dass die Kulturbürokratie oder auch die Jurymitglieder sich bewusst machen, welche Wirkung der Deutsche Verlagspreis für die Vielfalt der Verlagslandschaft hat, erwarten wir nicht. Von euch, die ihr die Situation unabhängiger kleiner Verlage kennt, erwarten wir das hingegen. Wir gehen davon aus, dass eine gerechte Kulturförderung im Verlagsbereich, die allen Verlagen eine Chance zum Weiterarbeiten bietet, nur solidarisch erstritten werden kann. Mit eurem Verhalten könnt ihr insofern auch Stellung beziehen zur Frage, ob es in Ordnung ist, dass die staatliche Kulturförderung einen Teil der unabhängigen Verlage regelmäßig subventioniert, andere Verlage hingegen ignoriert und damit mittelfristig deren Verschwinden betreibt (ohne für die Auswahl auch nur eine Begründung abzuliefern).
Wir würden es jedenfalls als ein starkes Signal einschätzen, wenn ihr mit weniger als 10% eures Preisgeldes den Einsatz der VA Die Werkstatt honorieren würdet.
ansonsten: Freiheit und Glück
Gunnar Schedel für die Alibris
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