Forum für Utopie & Skepsis: 25 Jahre Alibri Verlag
Die Welt verändern. Die Zielsetzung stand fest, als wir 1990 unsere ersten verlegerischen Schritte unternahmen (damals noch unter dem Label IBDK). Nach einigen Lehrjahren gründeten wir dann im November 1994 den Alibri Verlag. Seit mittlerweile also 25 Jahren begleiten wir die Diskussionen der säkularen Szene mit unseren Veröffentlichungen.
Gegenseitige Hilfe
Als wir anfingen, war der Buchhandel bereits im Umbruch begriffen: Der Konzentrationsprozess, der andere Branchen schon viel früher getroffen hatte, wurde deutlich spürbar, das Sortiment reagierte mit einer veränderten Einkaufspolitik, einem „schlankeren“ Lager und einer intensiveren Nutzung der Barsortimente. Für kleine Verlage verschlechterte das die Möglichkeiten, ihre Bücher für Leser*innen sichtbar werden zu lassen. Schnell wurde uns klar, dass wir in einem solchen „Marktumfeld“ alleine einen nahezu aussichtslosen Kampf ums Überleben führen würden. Eine Lösung erhofften wir uns durch „gegenseitige Hilfe“ und so initiierten wir die Assoziation Linker Verlage (aLiVe). Durch gezielte Kooperation in Werbung und Vertrieb wollten wir Kosten senken, Zeit einsparen und so letztlich unsere programmatische Unabhängigkeit erhalten. Und das gelang auch ganz gut.
Paragraphen gegen Argumente
Diese Zusammenarbeit, die sich unter anderem in einer gemeinsamen Verlagsauslieferung niederschlug, hielt uns auch ein Stück weit den Rücken frei, als wir uns mit diversen Versuchen konfrontiert sahen, gegen unsere Bücher nicht mit Argumenten, sondern mit juristischen Mitteln vorzugehen. Im Februar 1999 wurden einige Passagen aus dem Buch Waldorf Connection von Guido & Michael Grandt vom Landgericht München untersagt. Geklagt hatten nicht die Anthroposoph*innen selbst, sondern ein von ihnen in einem anderen Verfahren aufgebotener und im Buch kritisierter „Gutachter“. Das Gericht befand, dass die betreffenden, teilweise bereits viele Jahr zuvor veröffentlichten Zitatstellen, obwohl im Original in keinem einzigen Fall inkriminiert, unzulässig seien. Das Verfahren war teuer, es blieb aber das einzige, das wir in den 25 Jahren verloren haben (und von Waldorf Connection konnten wir drei Auflagen verkaufen).
Der Ferkelbuch-Skandal
Die Berichterstattung über die juristischen Auseinandersetzungen hat sicher dazu beigetragen, den Verlag bekannter zu machen. Am „erfolgreichsten“ in dieser Hinsicht war der Versuch des damals von Ursula von der Leyen geführten Familienministeriums, das sogenannte „Ferkelbuch“ auf die Liste jugendgefährdender Medien zu setzen. Der Fall des religionskritischen Kinderbuches Wo bitte geht’s zu Gott, fragte das kleine Ferkel von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke wurde im Frühjahr 2008 in fast allen deutschsprachigen und einer beachtlichen Reihe von internationalen Medien behandelt. Dass es damals gelang, diesen Zensurversuch abzuwehren, lässt sich nicht nur auf unsere guten Argumente zurückführen, sondern auch auf die Solidarität, die das Buch in der säkularen Szene erfuhr.
Diskussionsforum der säkularen Szene
Hier findet sich auch nach wie vor ein guter Teil unseres Stammpublikums. Mit fast allen Verbänden und Initiativen haben wir in den vergangenen 25 Jahren schon zusammengearbeitet. Von der vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) herausgegebenen Zeitschrift MIZ haben wir mittlerweile 100 Ausgaben ausgeliefert; die Schriftenreihen von drei Humanistischen Akademien erscheinen ebenso bei Alibri wie eine Schriftenreihe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Aber auch zahlreiche Titel, die politische Kampagnen begleitet oder große Veranstaltungen dokumentiert haben, haben wir verlegt.
Kongresse und Kampagnen
Viele Projekte der säkularen Szene haben wir im letzten Vierteljahrhundert logistisch oder finanziell unterstützt. Den Humanistischen Pressedienst (hpd) haben wir lange Zeit durch unsere Mitgliedschaft im Trägerverein mitfinanziert. Bei Tagungen wie der ersten Kritischen Islamkonferenz (2008 in Köln) oder dem Kongress zur Untersuchung der Auswirkungen von Religion und Esoterik auf Bildung und Erziehung (2003 in Trier) waren wir an der Organisation beteiligt. Die Kampagne Kirchenaustrittsjahr (2011), mit der die Finanzierung der Kirchen aus öffentlichen Mitteln thematisiert wurde, oder die Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) haben wir maßgeblich mit konzipiert. Unser Anspruch, mit Büchern ins politische Geschehen einzugreifen, spiegelt sich in Büchern wie Mission Klassenzimmer, Violettbuch Kirchenfinanzen oder Loyal dienen ebenso wie im Bestreben, säkularen Migrant*innen eine Stimme zu geben.
Selbstbestimmung, Emanzipation, Aufklärung, Wissenschaft
Unsere Themenpalette beschränkt sich freilich nicht auf Kirchen- und Religionskritik. Philosophie und Geschichte nehmen in unserem Programm großen Raum ein (von 1998 bis 2010 verlegten wir die Zeitschrift der bayerischen Geschichtswerkstätten Geschichte quer). Fragwürdige medizinische Verfahren werden ebenso kritisch behandelt wie rechte Ideologien. Ein skeptischer Blick, die Wertschätzung der wissenschaftlichen Methode und das Bekenntnis zu Selbstbestimmung und Emanzipation geben wichtige inhaltliche Leitplanken vor. Mittlerweile spielt der Programmbereich Kinderbuch ein große Rolle.
Alles verändert sich…
War Alibri anfangs vor allem ein Sachbuch-Verlag, der vor allem auf Inhalte und weniger auf die Ausstattung Wert legte, hat sich das heute gründlich geändert. Denn das „Gutenberguniversum“ befindet sich im Umbruch. Eine neue Generation wächst heran, die mit anderen Mediennutzungsgewohnheiten sozialisiert ist als unsere bisherige Kundschaft. Informationen gibt es, meist kostenlos und oft genug brauchbar, in den Weiten des Internets. Um für attraktiv befunden zu werden, muss das Buch heute mehr bieten als gut recherchierte Informationen. Mit unseren Kinderbüchern, der neuen Reihe für politische Kunst oder aufwändigen Produktionen wie der vierbändigen Atheismus-Geschichte von Fritz Mauthner versuchen wir darauf zu reagieren. Mit der Webseite der MIZ haben wir einen ersten Schritt hin zum elektronischen Publizieren vollzogen.
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